Netzbetreiber ziehen Fazit

  • Versorgungssicherheit im vergangenen Winter stark gefährdet
  • Netzausbau notwendig, um die Netzsituation zu entspannen
  • Übertragungsnetzbetreiber bereiten sich auf kommenden Winter und weitere Extremsituationen vor

Bayreuth, Berlin, Dortmund, Stuttgart. Der vergangene Winter war durch eine extreme mehrwöchige Kältewelle gekennzeichnet. Das Energieversorgungssystem in Deutschland arbeitete an seiner Leistungsgrenze. Nur durch größte Anstrengungen der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber und das Zurückgreifen auf bestehende internationale Verbindungen konnten der stabile Betrieb des Hoch- und Höchstspannungsnetzes und die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Dazu mussten die Übertragungsnetzbetreiber auf besondere Maßnahmen wie die Aktivierung von Kaltreservekraftwerken zurückgreifen. So lautet die Bilanz, die jetzt die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW ziehen.

Zunehmend Eingriffe ins Netz notwendig

Der Winter 2011 / 2012 machte sehr deutlich, in welcher schwierigen Lage sich die deutschen Übertragungsnetze derzeit befinden. Er warf ein Schlaglicht auf die großen Herausforderungen, vor denen das Höchstspannungsnetz durch den Umbau der Stromversorgung steht. Mit der Abschaltung von Kernkraftwerken und der zunehmenden Einspeisung der schwankenden erneuerbaren Energien sind die Netze einer extrem hohen Belastung ausgesetzt. Um sie stabil zu halten und überall die sichere Stromversorgung zu garantieren, müssen die Übertragungsnetzbetreiber immer häufiger massiv eingreifen, etwa durch das Hoch- und Herunterfahren von Kraftwerken (Redispatch). So kam es von Oktober 2011 bis März 2012 im gesamten deutschen Netzgebiet fast täglich zu Netzbelastungen, die schnelles Eingreifen nötig machten. Diese starke Zunahme zeigt, dass das deutsche Höchstspannungsnetz an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit betrieben wird und damit im Falle von Störungen die Wahrscheinlichkeit von großflächigen Stromausfällen zugenommen hat.

Kaltreservekraftwerke ans Netz genommen

Da sich das Gefahrenpotenzial für Stromnetze und Versorgung im vergangenen Winter gerade im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren deutlich erhöht hat, haben die Übertragungsnetzbetreiber Vorkehrungen getroffen, um möglichen kritischen Netzsituationen vorzubeugen. Dazu gehörten unter anderem Kaltreservekraftwerke in Deutschland und Österreich, die in Absprache mit der Bundesnetzagentur für die Wintermonate unter Vertrag genommen wurden. Diese Kaltreservekraftwerke mussten die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber am 8. und 9. Dezember 2011 sowie vom 8. bis 15. Februar 2012 ans Netz nehmen. Mit diesen Reservekraftwerken und der Beschaffung weiterer Notreserven aus dem Ausland konnten die Übertragungsnetzbetreiber die sehr angespannte Situation in den Netzen erfolgreich stabilisieren und die Versorgungssicherheit gewährleisten.

Durch die hohen Stromflüsse von Nord- nach Süddeutschland entstanden im Winter wiederholt Engpasssituationen, die durch Eingriffe in den Markt (Redispatch) und den Abruf der Kaltreserve gerade noch beherrscht wurden. Allerdings waren aufgrund der engen Kraftwerkssituation gerade im Süden Deutschlands Eingriffsmöglichkeiten der Netzbetreiber temporär ausgeschöpft, auch hervorgerufen von Transportproblemen im Gasnetz, die zu einer Nichteinsetzbarkeit von Gaskraftwerken führten.

Ausblick auf den Winter 2012 / 2013

Wegen der veränderten Erzeugungslandschaft bleibt die Situation für die Netze weiterhin sehr schwierig. Daher bereiten sich die Übertragungsnetzbetreiber bereits heute auf den kommenden Winter vor. An der angespannten Netzsituation in weiten Teilen des deutschen Netzes wird sich bis dahin nichts Wesentliches ändern, und das, obwohl die Übertragungsnetzbetreiber der Spannungs- und Engpassproblematik mit neuen Maßnahmen begegnen. So sollen spezielle neue Netzkomponenten installiert werden, die Blindleistung erzeugen und damit zur Spannungshaltung beitragen. Ein so genannter Phasenschieber am ehemaligen Kernkraftwerk Biblis wurde bereits im Februar 2012 in Betrieb genommen. Eine schnelle Realisierung und Inbetriebnahme der Leitung Hamburg-Schwerin noch im kommenden Winter würde sich sehr positiv auf die Netzsicherheit in Norddeutschland auswirken. Bei der Verbindung von Grafenrheinfeld nach Redwitz wird voraussichtlich die Übertragungsfähigkeit erhöht werden können. Da die Situation dennoch weiterhin angespannt bleibt, wird die im vergangenen Jahr begonnene Analyse potenziell kritischer Szenarien auch für den kommenden Winter fortgesetzt.

Ausbau des Netzes

Trotz dieser Maßnahmen wird die Situation für die Netze weiterhin sehr angespannt bleiben. Erst der dringend notwendige Netzausbau sowie die Inbetriebnahme neuer Kraftwerke insbesondere im Süden Deutschlands können hier zur Verbesserung beitragen. Die Stromnetze haben bei der Neugestaltung der Energielandschaft eine Schlüsselfunktion. Sie sind das Rückgrat der Energieinfrastruktur. Beschleunigte Genehmigungsverfahren und eine größere Akzeptanz dieser wichtigen und dringend notwendigen Infrastrukturprojekte sind wesentlich für den erfolgreichen und schnellen Netzausbau. Gleichzeitig hat sich in den vergangenen Wintermonaten auch gezeigt, wie wichtig es ist, die internationalen Verbindungen zu stärken. Die europäische Marktintegration führt zu einer stabileren Preisbildung, bietet den Verbrauchern Effizienzvorteile und dient auch der Versorgungssicherung.