Vorbehalte abbauen und Vertrauen schaffen – das ist oft ein hartes Stück Arbeit. Und braucht manchmal auch neue Formate, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Formate wie den „Planungsdialog“, in dem Bürger und Experten bei der Trassenplanung eng zusammenarbeiten.

Es sollte ein kommunikativer Neuanfang für ein konfliktreiches Projekt werden. Vor diesem Hintergrund kam das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag von Amprion 2017 erstmals nach Borgholzhausen – einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt mit knapp 9.000 Einwohnern im Teutoburger Wald. Über das Gebiet der Stadt verläuft eine Stromverbindung, die von Wehrendorf in Niedersachsen nach Gütersloh führt. Amprion plant eine Verstärkung der Höchstspannungsleitung von 220 auf 380 Kilovolt, um eine leistungsfähige Verbindung zwischen dem Raum Osnabrück und Ostwestfalen zu schaffen.

Den acht Kilometer langen Abschnitt vor der Landesgrenze zu Niedersachsen hatte der Übertragungsnetzbetreiber 2013 zunächst als Freileitung beantragt. Doch die Borgholzhausener waren nicht einverstanden – rund 700 Einwendungen reichten sie im Planfeststellungsverfahren ein. Für das vielfach gewünschte Erdkabel fehlte jedoch zunächst die rechtliche Grundlage. Erst mit der Anpassung des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) Ende 2015 stufte die Bundesregierung die Strecke als Pilotprojekt für eine Teilerdverkabelung ein.

Amprion entschied sich, die Planung für den Abschnitt neu aufzurollen – und nutzte die Chance, auch in der Kommunikation neue Wege zu gehen. Bereits im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens, weit vor der offiziellen Beteiligung, sollte der Dialog mit den Bürgern eröffnet werden. Amprion zog erstmals bei einem solchen Verfahren eine Institution aus der Wissenschaft hinzu: Das Difu sollte den Beteiligungsprozess von Beginn an begleiten und evaluieren.

Dr. Stephanie Bock ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Teamleiterin für das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU) tätig. Ihre Themenschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich der Stadt- und Regionalentwicklung sowie der Bürgerbeteiligung.

Dr. Stephanie Bock

Deutsches Institut für Urbanistik (Difu)

2018 begann die erste Phase des „Planungsdialogs Borgholzhausen“. Ziel war es, das lokale Wissen der Bürger in die Planung einzubeziehen und Vertrauen in das Projekt zu schaffen. Besondere Aufmerksamkeit kam dabei der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu: Neben Vertreterinnen und Vertretern eines möglichst vielfältigen Interessensspektrums (Bürgerinitiativen, Träger öffentlicher Belange, Verwaltung, Wirtschaft) kamen sechs Bürgerinnen und Bürger per Losverfahren in das Gremium.

Um eine gemeinsame Idee für die Erdkabeltrasse im Siedlungsbereich Borgholzhausen zu entwickeln, informierten Experten von Amprion zunächst über die Ausgangslage des Projektes, die Technologie sowie verschiedene Randbedingungen und schufen so die Basis für die anschließende intensive Diskussion. Abschließend formulierten alle Beteiligten Empfehlungen zum Verlauf der Trasse und zu den Standorten der Kabelübergabestationen.

Ein externer Moderator begleitete die nicht öffentlichen Sitzungen, um den Prozess so transparent und fair wie möglich zu gestalten. Vorträge und Ergebnisprotokolle wurden zeitnah abgestimmt und auf der Internetseite www.planungsdialog-borgholzhausen.net veröffentlicht.

Zu Beginn des Dialogs war die Skepsis auf allen Seiten groß – unklar formulierte Ziele, ein von vielen als diffus wahrgenommenes Thema und eine Kommunikation, die überwiegend von den vorausgegangenen Konflikten geprägt war, kennzeichneten die ersten Sitzungen. Doch im Laufe der Treffen konnten immer mehr Vorbehalte abgebaut werden. Dabei kam den technischen Experten von Amprion eine besondere Rolle zu. Ihre Expertise war intensiv gefragt und trug nicht unerheblich zum Vertrauenszuwachs bei. Die zufällig ausgewählten Bürger sorgten für Offenheit, Erdung und Entschärfung des Konflikts und wirkten so der über lange Jahre eingespielten Polarisierung entgegen. Im Sommer 2018 lag dann tatsächlich ein gemeinsam entwickelter Vorschlag auf dem Tisch.

Ob Amprion damit in das neue Genehmigungsverfahren gehen kann, ist zurzeit noch unklar. Denn es gibt auch Bürger in Borgholzhausen, die sich gegen ein Erdkabel stellen. Hier wird klar: Betroffenheiten lassen sich kaum ausräumen, ohne dass an anderer Stelle neue Konflikte entstehen. Umso wichtiger sind deshalb transparente und nachvollziehbare Verfahren, die verständlich machen, wie Entscheidungen entstehen.

Aus Sicht des Difu ist festzuhalten: Der Planungsdialog war für die Beteiligten eine schwierige, im Ergebnis aber lohnende Herausforderung. Es war richtig und wichtig, ihn frühzeitig zu initiieren und als längeren Prozess zu konzipieren. Denn Kommunikation gelingt nicht von heute auf morgen. Sie ist harte Arbeit und verlangt allen Akteuren eine entsprechende Haltung ab.

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Fünf Fakten zum Planungsdialog

Einzigartig

Mit dem Planungsdialog geht Amprion neue Wege. Ein Format, das auf den Netzausbau auf lokaler Ebene zugeschnitten ist und von Anfang an wissenschaftlich begleitet wird, hat es in Deutschland in der Form zuvor noch nicht gegeben. Der Planungsdialog begleitet das Projekt von der Entwicklung einer Idee über die Vorbereitung des Planfeststellungsverfahrens bis hin zum Bau. So kann Amprion sein Spektrum im Bereich der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung erweitern, ist vor Ort als Ansprechpartner präsent und sammelt wertvolle Erfahrungen zu den Chancen, aber auch Grenzen eines solchen Prozesses.

Versiert

Der Bau einer neuen Stromverbindung eröffnet viele Themenfelder, die die Menschen vor Ort beschäftigen. Im Rahmen des Planungsdialogs fanden daher mehrere Expertentermine statt. Im Fachgespräch Technologie erklärten Kabelbauexperten die Möglichkeiten und Grenzen einer Teilerdverkabelung sowie verschiedene Bauverfahren. Über den Themenschwerpunkt elektrische und magnetische Felder informierte die unabhängige Referentin Dr. Hannah Heinrich in einem öffentlichen Bürgerabend in Borgholzhausen.

Vielfältig

Die Bandbreite an Interessen in der ersten Dialogphase war groß. Einige Vertreter plädierten für den Bau eines Erdkabels, andere bevorzugten die Freileitungsvariante. Themen der Forstwirtschaft sowie des Umwelt- und Gewässerschutzes flossen ebenso in das Gremium ein wie touristische Aspekte. Außerdem standen die Netz- und Versorgungssicherheit sowie die Energiepreise im Fokus. Amprion will mit seinen Projekten Mensch und Natur möglichst wenig belasten. Andererseits ist es der gesetzliche Auftrag eines Netzbetreibers, auch die Wirtschaftlichkeit sowie die Systemsicherheit zu berücksichtigen. Wie die Leitung letztlich gebaut wird, entscheidet die Bezirksregierung Detmold, indem sie die unterschiedlichen Interessen bewertet und gegeneinander abwägt.

Zielführend

Von Beginn an hatten die Beteiligten des Planungsdialogs einen klaren Meilenstein vor Augen: eine gemeinsame Idee für einen potenziellen Trassenverlauf sowie Suchräume für die beiden notwendigen Kabelübergabestationen. Im nächsten Schritt führt Amprion Voruntersuchungen vor Ort durch, erstellt verschiedene Gutachten und führt Gespräche mit Bürgern, die Grundstücke im Bereich der geplanten Leitung besitzen. Die Unterlagen für das neue Planfeststellungsverfahren will Amprion Mitte 2020 bei der Bezirksregierung Detmold einreichen.

Bürgernah

Auftakt und Abschluss der ersten Planungsphase bildeten zwei Bürgerinfomärkte in Borgholzhausen. Rund 100 Besucher informierten sich im Januar 2018 über das Projekt und das Konzept des Planungsdialogs. Hierbei wurden auch die sechs Bürgerinnen und Bürger ausgelost, die sich um die Teilnahme im Gremium beworben hatten. Im August 2018 berichteten die Mitglieder des Planungsdialogs nach Abschluss der ersten Phase vor rund 170 Interessierten über die Arbeit und stellten die gemeinsam entwickelte Idee vor.